Minister Remmel (NRW) und der Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen: Wenn Moral und Wirklichkeit verglichen werden

von Georg Keckl

(gk) – Sind landwirtschaftlicher Flächen einmal überbaut, sind sie für immer der Lebensmittelerzeugung verloren- und schöner wurden sie meist auch nicht. Die Erhaltung der Landwirtschaftsflächen ist deshalb langfristig für alle Menschen von Vorteil. Minister Remmel hat dazu eine aktuelle Sonntagspredigt, bzw. eine Pressemitteilung (vom 13.02.2014, Titel „Minister Remmel: Fläche ist ein nicht vermehrbares Gut“), geschrieben.(1) Damit spricht er allen Menschen aus dem Herzen. Es wurden sehr vernünftige Vorschläge gemacht, wie der Flächenverbrauch reduziert werden kann. Es ist insbesondere besser, Flächen zu „recyceln“ als neue Flächen zu bebauen. Aber einige Vorschläge sind doch eher ideologisch eingefärbt, wären sehr nebenwirkungsreich. Werden mache Thesen auch im Alltag von den Akteuren gehalten, entspringt manches nicht eher einer Wünsch-Dir-Das-Politik, einem scheinheiligen Egoismus, dem heute viele moderne „Protestanten“ huldigen? Was passiert wenn die Predigt mit der grünen Wirklichkeit verglichen wird?

Wenn Minister Remmel davon spricht, dass der „dauerhafte Verlust von wertvollen Acker- und Weideflächen weltweit und auch in NRW ein immer größeres Problem ist“, so muss er sich fragen lassen, wieso er diesen Verlust noch vermehrt, indem immer mehr bestes Acker- und Weideland als „ökologische Ausgleichsflächen“ – als Ersatz für eine anderweitige Bebauung – in Mückentümpel, Wald- und Dornbuschinseln, für Autofahrer langfristig gefährliche Straßenbäume und Mulden umgewandelt werde, dem Öko-Gott geopfert werden.(2) Wald ist in Deutschland keine Mangelware, der nimmt zu (3), auch weil geringwertige Landwirtschaftsfläche in den Mittelgebirgen aufgeforstet werden, es selbst in waldreichen Gebieten Zuschüsse zur Umwandlung von Rübenfeldern in Mischwald gibt.

Weiters soll eine weniger „fleischlastige“ Ernährung einen „wichtigen Beitrag zur Verringerung der Flächeninan- spruchnahme“ liefern. Das ist eine alte deutsche Theorie. Sie stimmt auch, wenn statt einem Kilo Fleisch als Eiweiß-Ersatzmenge mehrere Kilos der flächeneffektivsten Hochertragspflanzen, wie Kartoffeln, Kraut und Trockenerbspüree gegessen würde. Konnte man die Theorie in den Weltkriegen noch ansatzweise durchsetzen, es gab halt nichts anderes, so scheitert diese Moral heute an der Praxis.

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Schweine und Hühner sind am ehesten Nahrungskonkurrenten des Menschen in Notzeiten (früher: Kartoffelmast; minderes Getreide, Mühlennachprodukte)

Statt der ertragreichen pflanzlichen Grundnahrungsmittel essen die Menschen und Gesellschaftsschichten, die Fleisch auf ihrem Speiseplan ersetzen wollen, eher pflanzliche Spezialitäten mit hohem Flächenbedarf in der Erzeugung und vielen Gewichtsverlusten vom Feld bis zur Frischetheke – und vor allem ertragsarme Bio-Produkte, die einem hoch höheren Flächenbedarf haben. So kommt es, dass seit 20 Jahren ein leicht sinkender Fleischkonsum von einem stark wachsenden deutschen Bedarf an Anbauflächen für pflanzliche Nahrungsmittel im In- und Ausland begleitet wird4. Wer den Verzehr von ertragsarmen Bioprodukten stark subventioniert, der erhöht gleichzeitig den Flächenbedarf und erhöht die Steuerlast aller für die Teller weniger. Das lässt sich auch nicht durch weniger Fleisch ausgleichen, im Gegenteil, wenig Biofleisch bedeutet wenig Biodung und damit mehr Bracheflächen oder Flächen für die Komposterzeugung.
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Flächensparende Lebensmittel – oft minderer Qualität, aber alles wird genutzt, wenig verfüttert!

Auch nicht bedacht sind die sozialen Folgen einer zu frömmelnden Flächenpolitik. Sollen die Armen in Zukunft nur noch Kartoffeln mit Trockenerbspüree in Hochhaussiedlungen essen dürfen, damit Flächen geschont werden? Die Reichen werden die hohen Preise für das Wohnen im Grünen, für große Räume und die laufenden Heizungs- und Stromzähler samt reichhaltig gedeckter Tische, wie zu allen Zeiten, zahlen können. Die SPD muss sich fragen lassen, wieso keine Gewerkschaften in dem Gremium „Dialog Landwirtschaft und Umwelt“ (5) vertreten sind, sondern vor allem die, die höhere Preise für die einkommensschwache alte Klientel der SPD gut finden. Die Vertreter Landwirtschaft in dem Gremium oder die „Verbraucherschützer“ sind keine Anwälte der Mehrheit, über deren Köpfe hinweg gerne geplant wird. Die ursprüngliche, kleinbürgerliche Klientel der Volksparteien ist die potentielle Mehrheit im Lande, die Angebote kauft, kaufen muss, und auf Moralprediger in Politik und Medien bestenfalls mit Wahlenthaltung reagiert, sich selbst im Krankenhaus auf ein Stück Fleisch auf dem Teller freut. Krankenhäuser hatten früher übrigens eher fleischlastige Essenspläne (6). Mal wollte, dass die Patienten schnell wieder zu Kräften kommen. Essstörungen gab es in der Unterschicht nicht.

Wenn sich der „Dialog Landwirtschaft und Umwelt“ dafür ausspricht, dass langfristig nicht mehr landwirtschaftliche Fläche pro Person belegt werden darf, als im weltweiten Durchschnitt zur Verfügung steht, so fragt man sich natürlich, mit welchen Mitteln diese hohe Moral durchzusetzen wäre? Eine Quote, eine Kontrolle? Eine Großüberwachung, vielleicht noch mit der Kontrolle des persönlichen Klimagaskontos? Fünfjahrespläne für die Zielerreichung? In der Realität würden sich solche Ziele nur durch eine extreme Verteuerung der Lebensmittel, wie das in dem tagtäglichen Gebaren der grünen Minister zu verfolgen ist, erreichen lassen. Die Armen kommen dann in den Himmel der Moral und die Reichen überall sonst hin.
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Alles regional und saisonal! Die Idee ist nicht so neu, wie manche glauben!

Die Idee von Ersatz des Fleisches durch Gemüse und Obst kollidiert mit dem Wunsch nach mehr „regional und saisonal“, da Gemüse (65%)(7) und Obst (82%) heute überwiegend Importprodukte sind, inzwischen auch bei Bio. Ehedem gab es hunderte Konservenfabriken in Deutschland, die die Gemüse- und Obstüberschüsse der heimischen Saison konservierten. Heute sollten Gemüse und Obst stets frisch sind sein, schmeckt auch besser, bedingt aber Importe v.a. aus dem Süden.

1 Vgl.: http://www.umwelt.nrw.de/ministerium/presse/presse_aktuell/presse140213.php
2 Vgl.: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=7&ugl_nr=791&bes_id=4910&aufgehoben=N&menu=1&sg=0#det223364 und
http://www.naturschutzberatung-nrw.de/oekopunkte-ausgleichsmassnahmen.html
3 Vgl.: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/zdw/2010/PD10_011_p002.html
4 Vgl.: Punkt1.3 in http://www.keckl.de/texte/Missbrauchte%20Statistik.pdf
5 Vgl.: http://www.umwelt.nrw.de/landwirtschaft/pdf/dialog_mitglieder.pdf
6 Vgl.: „Hoher Fleischgenuß galt als die Möglichkeit schlechthin, einen durch Krankheit geschwächten Körper nach überstandener Krankheit rasch wieder zu kräftigen,
zumal die Klientel der öffentlichen Krankenhäuser“, zitiert aus „Anstaltskost im Rationalisierungsprozess: Die Ernährung in Krankenhäusern und Gefängnissen im 18. und 19. Jahrhundert“, Ulrike Thoms, Franz Steiner Verlag Stuttgart 2005, Seite 552
7 Vgl. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2012; Seite 186, Tabelle 207: Selbstversorgungsgrad bei landw. Erzeugnissen (vorl. Werte für das Wirtschaftsjahr 2010/11)

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