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Schweiz: Zu geringe Nachfrage bei „Labelfleisch“

Schweiz (lid) – Zwei Fleischlabels, Natura-Beef und Bio Weide Beef, müssen das Angebot bremsen, weil die Nachfrage nicht mehr Schritt hält. Ist der Labelmarkt beim Rindfleisch in der Krise?

Von Roland Wyss-Aerni

Auf der Angebotsseite boomen die verschiedenen Labelprogramme in der Rindermast. Die Schweizerische Vereinigung der Ammen- und Mutterkuhhalter SVAMH etwa konnte im letzten Jahr 366 neue Mitglieder verbuchen, per Ende Jahr waren es 3.774 Produzenten. Bei den SVAMH-Labels Natura-Beef und SwissPrimBeef stieg die Zahl der geschlachteten Tiere von gut 26.000 auf 31.000 und soll im laufenden Jahr noch einmal ansteigen. Vermarktet wird das Fleisch der SVAMH-Programme durch Coop, Traitafina, Direktvermarktung und einzelne Metzgereien. Bio Weide Beef, ein Bio-Programm für die Migros, ist zwar markant kleiner und auch jünger, wächst aber dafür umso rasanter. Dem Label, das 1999 gestartet ist, gehören 364 Produzenten an, allein 2003 kamen 60 dazu. Geschlachtet wurden im letzten Jahr 2.388 Tiere, 43 Prozent mehr als im Vorjahr. Abgesetzt wird das Fleisch in der Ostschweiz.

Limit erreicht

Auf der Nachfrageseite allerdings gibt es Stockungen. „Wir haben der SVAMH seit zwei Jahren gesagt, wo die Grenze etwa liegt, und die ist in diesem Jahr erreicht “, sagt Urs Weingartner von Coop. Natura-Beef mache 73 Prozent des Rindfleisches im Coop-Naturaplan-Programm aus, mehr liege nicht mehr drin. Die SVAMH will deshalb ab 2005 keine neuen Natura-Beef-Produzenten mehr aufnehmen. Weiterhin gesucht ist dagegen Natura-Beef Bio, das in den Coop-Läden zusätzlich mit der Knospe verkauft wird. Bei Bio Weide Beef reagierte die Leitung Anfang Jahr ebenfalls mit einem Produzentenstopp auf den stagnierenden Absatz: Die Verkäufe in den Migros-Läden können mit dem steigenden Fleischangebot nicht mehr Schritt halten. „Neumitglieder sind bei der SVAMH weiterhin willkommen“, stellt Urs Vogt, Geschäftsführer der SVAMH, klar. Die Zahl der Mutterkuhhalter werde nur schon deshalb ansteigen, weil in der Milchproduktion die Aufhebung der Kontingentierung absehbar sei und viele Milchbauern deshalb auf Mutterkuhhaltung umstellten. Den Neumitgliedern werde man aber statt Natura-Beef SwissPrimBeef empfehlen. Dieses Fleisch stammt von ausgemästeten Tieren der Fleischrinderrassen und wird via den Lenzburger Fleischverarbeiter Traitafina vor allem an die qualitativ hochstehende Gastronomie geliefert. Für dieses „Gourmet-Tempel-Segment“ seien im letzten Jahr knapp 4.000 Tiere geschlachtet worden und für dieses Jahr sei eine Erhöhung der Menge um zehn Prozent geplant, sagt Vogt. Das Potenzial sei hier noch nicht ausgeschöpft.

Enttäuscht von der Migros

Und bei Bio Weide Beef: Ist dort die Nische schon ausgereizt? „Wir liefern an die Migros“, sagt Bio Weide Beef-Präsident Eric Meili selbstbewusst, „und die Migros ist keine Nische“. Das Potenzial für Bio Weide Beef sei deshalb noch gross. Meili ist „etwas enttäuscht“ von der Migros. Lange habe es geheissen, das Angebot sei zu klein, die Migros könnte viel mehr verkaufen. Man habe also Vollgas gegeben und neue Produzenten angeworben – und nun habe die Migros bereits Absatzprobleme. Der Produzentenstopp sei zwar psychologisch schlecht, aber man wolle sich davon nun nicht beirren lassen. Meili will in der nächsten Zeit Überzeugungsarbeit bei weiteren Migros-Genossenschaften leisten. In der Genossenschaft Migros Ostschweiz erreiche Bio Weide Beef 10 bis 15 Prozent des Umsatzes beim Rindfleisch, sagt er. Es gehe nun darum, die Verantwortlichen in den anderen Genossenschaften – allen voran die Schwergewichte Migros Aare und Migros Zürich – von Bio Weide Beef zu überzeugen, damit auch dort ein solcher Marktanteil erreicht werde. Beim Primeur-Rindfleisch gebe es in den Genossenschaften verschiedene Label wie Swiss Premium oder Pure Simmental, aber auch amerikanisches oder argentinisches Fleisch. Meili ist der Meinung, dass Bio Weide Beef ebenso national vermarktet werden könnte wie das 7-Punkte-Programm oder rosa Kalbfleisch. Nachdoppeln will er bei seiner Überzeugungsarbeit mit einer ETH-Studie, die dem Bioweidefleisch „sehr gute Qualität“ im Vergleich zu anderem Labelfleisch attestiere, wie er sagt. Ein Label, das auf Produzentensuche ist, ist Agri Natura der Fenaco-Gruppe, das in den Volg-Läden verkauft wird. „Wir haben immer noch zu wenig Angebot“, sagt Max Fehr vom Abnehmer Anicom. Man schlachte deshalb zum Teil Tiere, die für andere Kanäle vorgesehen seien. Für Agri Natura liefern derzeit 187 Produzenten, geschlachtet werden knapp 6.000 Tiere pro Jahr. Man sei aktiv daran, neue Produzenten zu gewinnen, sagt Fehr, und er ist optimistisch: Man merke, dass andere Absatzkanäle langsam voll seien.

Preisdifferenz nimmt ab

Wie wird sich der Labelmarkt weiter entwickeln? Heiri Bucher vom Schweizerischen Bauernverband nimmt an, dass der Preisdruck auch im Labelmarkt grösser werden wird. Zum einen werde das Angebot weiterhin nur schon wegen der gesetzlichen Anreize zunehmen. Wenn ein Tierhalter einen neuen Stall baue, dann sei es nahe liegend, in eines der gesetzlichen Programme BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) oder RAUS (regelmässiger Auslauf) einzusteigen, um von den Direktzahlungen zu profitieren. Zum anderen gebe es auch eine Grenze beim Absatz, wie sich jetzt zeige. Der Privatkonsum an Labelfleisch werde bereits weitgehend abgedeckt durch die Programme von Coop und Migros, die zusammen einen Grossteil dieses Segmentes bedienten. Im Ausser-Haus-Konsum dagegen, der rund die Hälfte des gesamten Fleischkonsums ausmacht, spiele es oft keine grosse Rolle, ob das Fleisch Labelfleisch sei oder nicht. Allenfalls sei noch wichtig, dass es aus der Schweiz stammt. Die Folge aus stark steigendem Angebot und nur schwach steigender Nachfrage ist eine Preisangleichung zum konventionellen Fleisch oder sogar eine Vermarktung ohne Labelzuschlag. Und die Preise haben sich bereits angeglichen: Der Unterschied zwischen dem Durchschnittspreis für Labelmuni und konventionell produzierten Muni ist in den letzten zwei Jahren von 15 Prozent auf 5 Prozent geschrumpft. Für Labelmuni wird derzeit rund 8.10 Franken pro Kilogramm bezahlt, für konventionellen Muni 7.80. Die Preise für konventionell gemästete Tiere haben sich nach der zweiten BSE-Krise 2000 wieder erholt, die Labelpreise sind aber nicht mehr entsprechend angestiegen. Vogt ist zuversichtlicher: Bei den SVAMH-Labels sei immer noch ein guter Mehrpreis vorhanden. Sie würden sich auch in Zukunft stark abheben von Massenlabels oder von der konventionellen Produktion, ist er überzeugt. Die unterschiedlichen Konsumentenbedürfnisse würden weiterhin bestehen und auch differenzierte Erlöse für die Bauern ermöglichen.

Labelvielfalt bleibt

Welche von den heutigen Fleischlabels mittelfristig überleben, wird der Markt entscheiden, darüber ist man sich einig. Meili nimmt an, dass früher oder später in den Läden fast nur noch Labelfleisch verkauft wird. Schon heute sei der konventionelle Anteil bei Migros und Coop klein. An der Labelvielfalt werde sich grundsätzlich wohl nicht viel ändern, die Grossverteiler müssten sich mit Label in den verschiedenen Qualitätsbereichen voneinander abgrenzen, das sei auch im Ausland nicht viel anders. Auch Urs Weingartner von Coop erwartet, dass die Profilierung der verschiedenen „Label-Ebenen“ auch in Zukunft erhalten bleiben wird. Es werde allerdings übers Ganze gesehen eine Konsolidierung geben. Dass einfach mal produziert werde und mal in den einen, mal in den anderen Labelkanal geliefert werde, werde wohl nicht mehr möglich sein.

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