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Kritisch hinterfragt: Antioxidantien – Freund oder Feind?

(idw) – Vor allem in der Werbung und in populärwissenschaftlich ausgerichteten
Publikationen werden Antioxidantien wie ß-Karotin (aus Karotten) oder
Lykopen (aus Tomaten) und die Vitamine C und E einseitig als vor Krebs
oder Alterung schützend dargestellt, weil sie Wirkungen freier
Radikale mindern oder sogar verhindern können. Jedoch sollten freie
Radikale keineswegs als ausschließlich destruktiv angesehen werden. Im
Gegenteil: beispielsweise sind der Energiestoffwechsel (Atmungskette)
und die Abwehr von Krankheitserregern und körperfremder Strukturen
durch neutrophile Granulozyten (weiße Blutkörperchen) auf die Bildung
freier Radikale angewiesen.

Allein schon deshalb ist zu erwarten, dass durch die Zufuhr von
Antioxidantien auch wesentliche unerwünschte Wirkungen in der Haut und
im Organismus ausgelöst werden können. Zudem können einige
Antioxidantien – wie ß-Karotin oder Vitamin C – unter bestimmten
Bedingungen auch pro-oxidative Wirkung zeigen, wobei sich dann die
Frage stellt: Wann ist ein Antioxidans kein Antioxidans?

Eine Veröffentlichung, gerade am 3. September 2008 im
interdisziplinären medizinischen e-Journal „GMS German Medical
Science“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften AWMF erschienen [1], beschreibt deutlich die
Ambivalenz von Antioxidantien mit ihren zwei Seiten: einer erwünschten
und einer unerwünschten Seite.

Zweifellos weisen viele Menschen mit überdurchschnittlichem Verzehr
von Obst und Gemüse ein geringeres Lungenkrebsrisiko auf. Völlig
unerwartet mussten jedoch vor etwa 10 Jahren zwei Studien mit hoch
dosierter ß-Karotin-Supplementierung abgebrochen werden, weil nach
diesen ß-Karotin-Gaben das Lungenkrebsrisiko von Rauchern angestiegen
war. Weitere Untersuchungen in vitro und in vivo wurden in dem Sinne
interpretiert, dass ß-Karotin antikarzinogen wirkt, sein
Oxidationsprodukt jedoch prokarzinogen, möglicherweise aufgrund der
Instabilität des ß-Karotin-Moleküls in einer an freien Radikalen
reichen Umgebung in den Lungen von Zigarettenrauchern.
In einer großen multizentrischen, doppelblinden und
placebokontrollierten klinischen Präventionsstudie erhielten 864
Personen, denen Dickdarmpolypen entfernt worden waren, täglich 25 mg
ß-Karotin oder Placebo, kombiniert mit 1000 mg Vitamin C + 400 mg
Vitamin E oder Placebo. Nach vier Jahren konnten bezüglich ß-Karotin-
Supplementierung und der Entstehung von Dickdarmpolypen die folgenden
Beobachtungen gemacht werden: deutliche Minderung des Risikos für
Nichtraucher und Nichttrinker; leicht erhöhtes Risiko für Raucher oder
Alkoholkonsumenten; Verdoppelung des Risikos für diejenigen, die
Zigaretten rauchen und täglich mehr als ein alkoholhaltiges Getränk
konsumieren.

Weitere klinische Studien zeigten, dass ß-Karotin-Supplementierung
keine Veränderung der Inzidenz (Neuauftretungsrate) von Nicht-Melanom-
Hautkrebs hervorrief. Dagegen kam es nach einer ß-Karotin-
supplementierten Ernährung zu einer signifikanten Verstärkung der UV-
bedingten Krebsentstehung. Eine photoprotektive (lichtschützende)
Wirkung wurde nicht erzielt.

Die künstliche Zufuhr von Antioxidantien in die Haut des Menschen
wirft weitere Fragen auf. Im Alltag, Urlaub und Beruf können große
Mengen optischer Strahlung in die Haut eindringen und die Effekte von
Antioxidantien modifizieren. Seit langem ist bekannt, dass in
menschlicher Haut durch UV-Bestrahlung große Mengen freier Radikale
entstehen können.

Der Welt-Krebsforschungsfond hat die größte Untersuchung über
Lebensstil und Krebs durchgeführt und mehrere Empfehlungen
herausgegeben. Diese schließen die Empfehlung ein, keine
Nahrungsergänzungsmittel zur Krebsprävention zu verwenden, weil das
Risiko-Nutzen-Verhältnis nicht zuverlässig vorhergesagt werden kann
und unerwartete und unübliche gegensätzliche Wirkungen auftreten
könnten. Vorzugsweise sollte eine Steigerung der Zufuhr relevanter
Nahrungsbestandteile über die Ernährung erfolgen.
Das aktuelle Merkblatt des National Cancer Institute (Nationales
Krebsforschungsinstitut) der USA trifft als Hauptaussagen: „Labor- und
Tierforschung haben gezeigt, dass Antioxidantien helfen, den durch
freie Radikale hervorgerufenen Schaden in Zusammenhang mit Krebs zu
verhindern. Jedoch stimmen aktuelle klinische Studien in der
Bevölkerung damit nicht überein. Antioxidantien werden von einer
gesunden Ernährung geliefert, die eine Vielzahl von Früchten und
Gemüse einschließt.“

Eine systematische Ãœbersicht und Meta-Analyse der Cochrane-Gruppe
Leber/Galle, Kopenhagen, die 68 randomisierte Studien mit 232.606
Teilnehmern (385 Veröffentlichungen) einschloss, schlussfolgerte:
„Eine Behandlung mit ß-Karotin, Vitamin A und Vitamin E könnte die
Mortalität (Sterblichkeit) steigern. Die potentiellen Rollen von
Vitamin C und Selen hinsichtlich der Mortalität bedürfen weiterer
Untersuchung.“

Bislang sind keine den heutigen Anforderungen genügenden
randomisierten und placebokontrollierten multizentrischen Studien
oder gar Meta-Analysen bekannt geworden, die Aufschluss darüber geben
könnten, ob in oder auf die Haut gebrachte Antioxidantien Phänomene
wie Hautalterung oder -krebsentstehung im günstigen oder ungünstigen
Sinne modifizieren. Wir wissen nicht, wie UV, sichtbares Licht und
Infrarot – oder deren Teilbereiche oder Kombinationen – auf
modifizierte Konzentrationen und Anteile von diversen Antioxidantien
in der Haut wirken. Das ist eine große Herausforderung an die
dermatologische Forschung. Oder, um es exemplarisch mit den Worten von
H. S. Black zu sagen: „Zur Zeit sollte an eine Verwendung von
ß-Karotin als Nahrungsergänzungsmittel mit Vorsicht herangegangen
werden.“

Veröffentlichung:
[1] Meffert H. Antioxidants – friend or foe?
GMS Ger Med Sci. 2008; 6:Doc09.

Online verfügbar im Internet oder als PDF – Dokumnet.

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