animal-health-online®
Redaktion Kleintiere & Pferde
  

powered by ...

Schwarzwild bereitet Probleme

(ÖJV) – Vorträge und Diskussionen zum Thema Wildschwein standen im Mittelpunkt der Crottorfer Jagdtage im Katholischen Pfarrheim in Wissen an der Sieg. Auf Einladung des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV) – Rheinland-Pfalz fanden sich über 70 Jäger und jagdwirtschaftlich Interessierte zusammen, um zum Thema „Schwarzwild zwischen Hege und Pest“ Vorträge zu hören und natürlich auch Meinungen auszutauschen.

Das Schwarzwild, eine Wildart, bei der infolge starker Bejagung seit dem Mittelalter, zunächst ein starker Rückgang zu verzeichnen war, Anfang des vergangenen Jahrhunderts galt es in Mitteleuropa beinahe als ausgerottet, ist inzwischen überall in hohen Stückzahlen allgegenwärtig. Als ein Beispiel der enormen Anpassungsfähigkeit der Schwarzkittel gilt der 3.000 Hektar große Grunewald bei Berlin. Hier suchen teilweise bis zu 30.0000 Besucher Erholung in Stadtnähe und zwischen ihnen tummeln sich inzwischen bis zu 1.000 Wild- schweine. So hat sich, die noch vor 50 Jahren in Deutschland eher seltene Wildart, inzwischen zu einer überhand nehmenden Problemwildart entwickelt. Landwirte beklagen die von dem weit verbreiteten Schwarzwild verursachten Feldwildschäden. Die Jäger, die sich auf der einen Seite an hohen Schwarz- wildbeständen erfreuen, jammern auf der anderen Seite über die hohen Kosten zum Ausgleich der Wildschäden. Seit einigen Jahren kommt zusätzlich noch das Problem des Ausbruches der Schweinepest in den Schwarzwildbeständen und die damit verbundene Ansteckungsgefahr für die Hauschweinbestände. Auch Rheinland- Pfalz ist großflächig von diesen Problemen betroffen. Ziel der Veranstaltung war es, Lösungsansätze für den richtigen Umgang mit dieser Wildart und den von ihr ausgehenden Problemen zu erarbeiten.

Thomas Boschen, Vorsitzender der ÖJV-Landesgruppe begrüßte unter den zahl- reichen Gästen auch den Bürgermeister der Stadt Wissen, Herrn Michael Wagener, der ein Grußwort an die Teilnehmer richtete. Rüdiger Kassel, Jagdreferent im Ministerium für Umwelt und Forsten, Lorenz Steden vom Landesjagdverband, Heribert Metternich vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau und Hermann Graf Hatzfeld gehörten zu den Ehrengästen die Boschen begrüßen konnte.

Die Moderation zwischen den Fachvorträgen und während der anschließenden Podiumsdiskussion wurde von Dr. Franz Straubinger übernommen.

Als Rednerpult hatte man einen Drückjagdstand aufgebaut, ein Gerät, das üblicherweise bei Bewegungsjagden zur Reduzierung der Wildbestände genutzt wird.

Dr. Michael Martys, Biologe vom Alpenzoo Innsbruck, eröffnete die Vortragsreihe mit einem Einblick in die Biologie und die Sozialstuktur des Schwarzwildes. Seine Kenntnisse belegte er mit der über zehn Jahre andauernden intensiven Beobachtung von Wildschweinen aus nächster Nähe in einem Gehege. Dr. Martys bescheinigt der weit verbreiteten Wildart eine gewisse Intelligenz, und meint damit die Fähigkeit Probleme zu lösen. Die Zuwachsrate pro Bache liegt nach seinen Beobachtungen bei bis zu 13 Stück. 35 Prozent der Frischlingsbachen und 80 Prozent der Überläuferbachen sind an der Reproduktion beteiligt. Entsprechend den Lebensgrundlagen, entscheidender Faktor ist hier die Ernährung, schwankt die Reproduktion eines Schwarzwildbestandes zwischen 50 und 250 Prozent. Als außer- ordentlich konstant bezeichnet er die Sozialstuktur innerhalb der Wildschwein- rotten. Alle Stücke innerhalb einer Rotte sind miteinander verwandt und erkennen sich an rottenspezifischen Lautäußerungen und ihrem Geruch. Eine besondere Stellung innerhalb der Rotte hat die sogenannte Leitbache, in der Regel das stärkste Stück der Rotte. Sie bestimmt den Tagesablauf und das Verhalten der Rotte. Diese soziale Führungsposition innerhalb der Rotte gilt es bei der Jagdausübung zu beachten, die Leitbache ist unbedingt zu schonen.

Norbert Happ, Forstrevierleiter im Kottenforst bei Bonn, berichtete aus der Sicht des Jagdpraktikers über den Umgang mit dieser Wildart. Er bezeichnete gleich zum Einstieg das Schwarzwildproblem als ein Schwarzwildjägerproblem, nicht die pure Gegenwart von Wildschweinen sei Ursache von Wildschäden und Seuchen sondern die falsche Behandlung der Wildart durch die Jäger. Die von Dr. Martys vorgetragenen Beoachtungen zum Sozialverhalten der Wildschweine konnte er auch mit seinen praktischen Erfahrungen mit Sauen in der freien Wildbahn bestätigen. Als entscheidenden Faktor der Zuwachsbestimmung sieht er ebenfalls die Winterernährung. Kam es früher nur alle sechs bis zehn Jahre durch ein reiches Angebot an Bucheckern oder Eichel zu sogenannten „Mastjahren“ in denen sich auch die Wildschweinbestände erholten, so herrscht heute durch die permanente Anlock- (Kirr-) und Ablenkungsfütterung mit Körnermais eine Dauermast, die den Zuwachsraten beim Schwarzwild laufend neue Rekorde beschert. Aus diesen Beobachtungen leitete er folgende Tips für die jagdliche Praxis ab:

Die im Lüneburger Modell aufgestellten Richtlinien zur Schwarzwildbejagung sind nach wie vor der richtige Weg um einen gesunden, in der Sozialstruktur vernünftig gegliederten Wildschweinbestand zu erhalten. Grundbedingung für die Anwendung dieses Bejagungsmodells ist jedoch ein angepasster Wildbestand, dass heißt ein Frühjahrsbestand von zwei bis drei Wildschweinen je 100 ha Waldfläche. Reviere in denen der Bestand bei der zehnfachen Anzahl oder sogar noch höher liegt sind gezwungen zunächst den Bestand zu reduzieren. Und die Regulierung eines Bestandes geht nur über die Reduktion der Zuwachsträger, für den Praktiker klar und deutlich gesagt über den Abschuss von Bachen. Laut Happ soll der Abschuss der Bachen erfolgen, sobald die Frischlinge etwa sechs Monate alt sind oder ca. ein Gewicht von 20 Kg erreicht haben. Seine Meinung diesbezüglich hat der erfahrene Schwarzwildjäger mit folgendem Zitat kundgetan: „Genauso wichtig wie es ist, die Leitbache in der Rotte zu schonen, so wichtig ist es schwächere Beibachen aus der Rotte zu erlegen.Wer im November eine Schwarzwildrotte mit gut entwickelten Frischlingen vor sich hat, die Bachen in der Rotte gut sortieren kann und dann einen Frischling anstelle einer Beibache erlegt, dem ist nicht mehr zu helfen, der muss sich nicht wundern wenn ihm der Schwarzwildbestand über den Kopf wächst.“

Für das Landesuntersuchungsamt berichtete Herr Dr. Günter Hess über den Verlauf der Schweinepest beim Schwarzwild in Rheinland-Pfalz und die daraus resul- tierenden Auswirkungen und Konsequenzen. Zunächst zeigte er anhand der Stecken- entwicklung, dass der Bestand an Schwarzwild im Land in den vergangenen 20 Jahren um das acht bis neunfache angestiegen ist. Lag die Jahrestrecke im Jahr 1980 noch bei 5.000 Sauen, so lag sie im Jahr 2000 bei 45.000 Stück im Land. Eine plausible Begründung für diesen starken Anstieg konnte Dr. Hess jedoch nicht liefern. Der Verlauf der Schweinepest in den Schwarzwildbeständen begann vor einigen Jahren in der Pfalz, erweiterte sich dann Richtung Norden bis in den Raum Trier – Saarland und ín die Eifel. In der Pfalz konnte die Seuche inzwischen durch eine starke Bejagung eingedämmt werden. In jüngster Zeit wurden hier keine neuen Fälle registriert. Anders sieht es leider in der Eifel aus. Trotz intensiver Bejagung sind die Schwarzwildbestände nach wie vor immens hoch und es kommt immer wieder zu neuen Seuchefällen. Dr. Hess vertritt den Standpunkt, dass zur Eindämmung der Seuche eine Impfung der Schwarzwildbestände unumgänglich ist.

Als letzter Redner betrat der bekannte Berufsjäger und Jagdautor Bruno Hespeler den Drückjagdstand. Hespeler lieferte dann die Begründung für den starken Anstieg der Schwarzwildbestände. Er sprach in diesem Zusammenhang von dem sogenannten „Raiffeiseneffekt“ und meinte damit die ganzjährig an das Schwarzwild verfütterten Mengen an Körnermais, auch als „Schweinegold“ bekannt. War das Schwarzwild in den Siebziger Jahren eher noch eine seltene, weit umherziehende Wildart, so versuchten die Jäger die Sauen durch die Fütterung mit Mais an „Ihr“ Revier zu binden: „Die Sau soll dableiben, denn ich will sie schießen und weil zwei Sauen noch schöner sind als eine, streue ich lieber noch etwas mehr Mais aus!“ Dieser gute Nahrungsversorgung, die ja auch schon die Vorredner als Hauptfaktor der Zuwachsrate erkannt hatten, hat über die Jahre zu den überhöhten Schwarzwildbeständen mit den beklagten negativen Folgen geführt. In der logischen Kosequenz sehen viele Vertreter einer ökologisch ausgerichteten Jagd, bei der anschließenden Podiumsdiskussion nicht das Allheilmittel gegen die Schweinepest in der Impfung der Wildbestände, sondern in einer konsequent umgesetzten, längst überfälligen Regelung zur Schwarzwildfütterung. Neben einer mengenmäßigen Begrenzung ist auch die Anzahl der Futter- oder Kirrplätze pro Jagdfläche festzulegen. Darüber hinaus war man sich einig, dass diese Beschränkung parallel mit einer drastischen Reduzierung der Sauenbestände stattfinden muss. Wenn die Jäger ihre wertvolle ökologische Aufgabe ernst nehmen und die Jagd nicht nur als „Fun-Faktor“ sehen, dann sind sie jetzt gefordert zu beweisen, dass sie es mit ihren Bemühungen um einen gesunden Wildbestand ernst meinen. Schwarzwild muss eine einheimische Wildart bleiben und darf nicht durch Fütterung zu einer domestizierten, frei lebenden Massentierart verkommen. Nicht die Impfung, die überhöhte Bestände überleben lässt, sondern eine Regulierung des Bestandes auf ein gesundes, ökologisch verträgliches Maß ist angesagt.

Ökologischer JagdVerband – Rheinland-Pfalz Johannes Pinn, Schriftführer Murxenpesch 8 – 54578 Wiesbaum

Suche



Datenschutzerklärung