NRW: Landesregierung und Landwirtschaftsverbände unterzeichnen gemeinsame Erklärung zum Kürzen von Ferkelschwänzen
Düsseldorf (aho) – Die NRW-Landesregierung und die beiden Landwirtschaftsverbände aus Nordrhein-Westfalen wollen gemeinsam den Tierschutz im Schweinestall stärken und das routinemäßige Kürzen der Schwänze bei Schweinen überflüssig machen. Das „routinemäßige“ Kürzen von Schwänzen bei Saugferkeln wird in der konventionellen Tierhaltung überwiegend als wirksamste Vorbeuge gegen das Schwanzbeißen bei Schweinen angesehen und deshalb in vielen Ländern Europas mit hochentwickelter Schweineerzeugung durchgeführt. Landwirtschaftsminister Johannes Remmel sowie die Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), Johannes Röring, und des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV), Friedhelm Decker, verständigen sich daher auf folgende Erklärung:
Die Bemühungen, auf das routinemäßige Kürzen der Ferkelschwänze verzichten zu können, sollen flächendeckend und mit einer Einführungsphase – beginnend im Frühjahr 2014 – eingeleitet werden unter Bündelung der Kräfte der Veterinärverwaltung, der Landwirtschaftsverwaltung und fachlich beteiligten berufsständischen Organisationen. Alle Maßnahmen innerhalb dieser Einführungsphase werden zwischen den Berufsgruppen eng aufeinander abgestimmt. Zur strategischen Begleitung des Gesamtvorhabens und zur Evaluierung der Maßnahmen ist die Einrichtung einer gemeinsam getragenen Koordinierungs- und Beratungsstelle – unterstützt durch einen Beirat – vorgesehen.
Die Beteiligten richten eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Fachministeriums ein, die einen Vorschlag für die konkrete Ausgestaltung der Einführungsphase erarbeitet.
Die Einführungsphase untergliedert sich in drei Phasen. Zum Abschluss jeder Phase wird das bis dahin jeweils Erreichte mit Vertretern der Landwirtschaft und unter Leitung des Fachministeriums evaluiert.
Phase 1 (2014) beinhaltet neben der Fortführung der Ursachenforschung eine Informations- und Beratungsoffensive für schweinehaltende Betriebe und die Tierärzteschaft. Unter Federführung der FH Südwestfalen wird ein Beratungskonzept zur Vermeidung der Caudophagie bei Schweinen erarbeitet und umgesetzt. Diese Beratungs- und Informationsoffensive muss grundsätzlich auch eine einzelbetriebliche Beratung vor Ort ermöglichen können, denn eine
„Blaupause“ für das Verzichten auf das „routinemäßige“ Kürzen der
Ferkelschwänze gibt es nicht.
Phase 2 (2015) beinhaltet die betriebsindividuelle Erstellung von Maßnahmeplänen einschließlich erster Umsetzungsschritte in den Betrieben. Zum Abschluss dieser Phase und zeitlich vor Beginn der dritten Phase findet eine Abstimmung auf Präsidenten- und Ministerebene statt, um im Lichte der Evaluierung des bis dahin Erreichten über die nächste Phase 3 zu entscheiden.
Phase 3 (2016) beinhaltet die weitere Umsetzung der in Phase 2 eingeleiteten
Schritte auf einzelbetrieblicher Ebene.
Hintergrund:
Schwanzkannibalismus ist eine gefürchtete Verhaltensstörung in der Schweinemast. Grundsätzlich tritt das Phänomen auch bei Wildschweinen und Schweinen in Freiland- und Ökohaltung auf (1, 2). Bei einer Befragung unter 500 niederländischen Betrieben gaben 50–64% der konventionellen und 45-47% der ökologisch wirtschaftenden Betriebe Probleme mit dem Schwanzkannibalismus an (4). Eine schwedische Untersuchung belegt, dass Schwanzkannibalismus bei Bio-Schweinen häufiger vorkommen kann (5,6).
Das Phänomen kann zwar auch bei kupierten Schwänzen auftreten ist jedoch bei langen Schwänzen um ein Vielfaches häufiger (3). Die Leistung der gebissenen Tiere ist reduziert und das geschädigte Gewebe ermöglicht, dass Infektionen bis ins Rückenmark gelangen und Schlachtkörper verworfen werden müssen.
(1) Walker PK, Bilkei G.
Tail-biting in outdoor pig production.
Vet J. 2006 Mar;171(2):367-9.
(2) Freitag M.
Kaudophagie beim Schwein – ein multifaktorielles Problem.
11. Haupttagung der Agrar- und Veterinärakademie (AVA), 16.-18.3.2012, Göttingen
(3) Thodberg, K. et al.
The risk of tail biting in relation to level of taildocking.
Proc. 44th Congr. International Society for Applied Ethology, Uppsala, Sweden, August 2010, p.91.
(4) De Lauwere, C. et al.
Stoppen met couperen? Varkenshouders over staartbijten en staartcouperen. LEI rapport 2009 – 97, LEI, the Hague, The Netherlands
(5) Lennart Larsson, Maria Alarik und Stina Stabo
Slakktkropprnas kvaliteit i ekologis uppfödning 2010
En sammanställning av slaktresultat för ekologiskt uppfödda ungnöt, kalvar, lamm och svin slaktade 2010
Hrsg.: Hushållnings sällskapet, Uppsala im Frühjahr 2012
(6) Edwards, S.
FUTURE CHALLENGES IN ORGANIC PIG PRODUCTION
Scientific Workshop on Organic Pig Production in Denmark
12.06.2013 to 13.06.2013, Hovborg, Denmark
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