Wissenschaftler: Geflügel-Freilandbetriebe haben hohes Geflügelpestrisiko
Greifswald – Insel Riems (aho) – Anfang des Jahres beherrschte sie die Schlagzeilen, mehr als 100 Millionen Tiere fielen ihr zum Opfer: Der Ausbruch der Geflügelpest in Südostasien sorgte auch bei uns für große Besorgnis, vor allem, weil auch Menschen erkrankten, die Kontakt mit infizierten Tieren hatten. Jetzt ist die Viruskrankheit in Malaysia wieder aufgeflammt, im Juli waren bereits neue Fälle aus mehreren ostasiatischen Ländern bekannt geworden. Keine Überraschung für Professor Thomas Mettenleiter und Dr. Ortrud Werner vom Friedrich-Loeffler-Institut auf der Ostseeinsel Riems (vormals Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere). In einem Übersichtsartikel im Wissenschaftsmagazin ForschungsReport hatten sie erst kürzlich darauf hingewiesen, dass die Seuche in den betroffenen Ländern keineswegs vollständig unter Kontrolle gebracht sei.
Die schnelle und flächenhafte Ausbreitung des Erregers, ein Influenzavirus vom Subtyp H5N1, wird durch die Besonderheiten der Geflügelhaltung in der Region begünstigt: Der größte Teil des Geflügels wird in Südostasien in kleinen Beständen ohne jegliche Maßnahmen zur Seuchenprophylaxe gehalten, intensiver Tierhandel und Lebendvermarktung des Schlachtviehs auf den Märkten sorgen für eine rasche Ausbreitung der sehr ansteckenden Krankheit. Mettenleiter und Werner wiesen im ForschungsReport darauf hin, dass der diesjährige Ausbruch der auch als „Vogelgrippe“ bekannten Geflügelkrankheit bislang nicht da gewesene Dimensionen erreicht hat. Doch Südostasien ist derzeit nicht der einzige Seuchenherd der Welt. Auch in Texas, Kanada und Pakistan wurden kürzlich verschiedene Stämme des Influenzavirus in Geflügelbeständen nachgewiesen, 1999/200 kam es zu einer verlustreichen Epidemie in Italien. Aktuell haben Straußenfarmen in Südafrika mit dem Virus zu Kämpfen.
Aus den bisherigen Erfahrungen können laut Frau Dr. Werner und Prof. Dr. Mettenleiter zwei Schlussfolgerungen für die Seuchenverhütung abgeleitet werden: Zum Ersten sollte Hausgeflügel vor einer Infektion mit Influenzaviren durch Wildvögel geschützt werden, zweitens müssen auch Infektionen mit gering pathogenem Influenzavirus vom Subtyp H5 und H7 so schnell wie möglich getilgt werden, ehe der Erreger seine Pathogenität erhöhen kann. Zur spezifischen Abschätzung des Infektionsrisikos werden in der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) seit 2001 in zunehmendem Umfang Wildvögel verschiedener Arten und aus verschiedenen Gegenden Deutschlands auf Influenzaviren untersucht. Dafür werden meist beim Beringen der Vögel Kloakenabstriche entnommen. Aus diesen Proben konnten wir eine Reihe Influenzaviren verschiedener Subtypen isolieren, auch die potenziell gefährlichen Subtypen H5 und H7. Virusträger waren vor allem verschiedene Wildenten, aber auch Möwen und eine Dohle.
Trotz der nachgewiesenen potenziellen Infektionsgefahr nehmen in Deutschland alternative Haltungsformen mit Freilandauslauf immer mehr zu. Um das Infektionsrisiko dennoch so gering wie möglich zu halten, sind direkte und indirekte Kontakte mit Wildvögeln mit geeigneten Maßnahmen zu verhindern. Generell sollten in Wildvogelsammel- oder -rastgebieten keine Freilandhaltungen eingerichtet werden. Die Fütterung bzw. Futterlagerung muss im Stall erfolgen, zu dem Wildvögel keinen Zugang haben, und für die Wasserversorgung darf kein Oberflächenwasser verwendet werden. Zur Sicherheit müssen die Ställe so ausgelegt sein, dass bei erhöhter Infektionsgefährdung auch eine zeitweise geschlossene Haltung möglich ist.
Zur weiteren Absicherung der Freilandhaltung von Geflügel ist es nach Meinung der Wissenschaftler notwendig, eine vorbeugende diagnostische Überwachung zu etablieren. In der BFAV befasst sich deshalb ein Forschungsprojekt mit der Analyse des Influenzastatus von Hausgeflügel in Freilandhaltung unter besonderer Berücksichtigung der Infektionsgefährdung durch Wildvögel. Finanziert werden diese Untersuchungen im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau. Ziel der Untersuchungen ist die Etablierung eines diagnostischen Frühwarnsystems für Geflügelpest, wobei die besonders gefährdeten Freilandhaltungen als „Frühwarnsystem“ dienen könnten.
Der aktuelle Forschungsreport steht im Internet zur Verfügung.